Nachdem wir uns in den vergangenen Jahren mit London und Budapest schon zwei europäische Hauptstädte angeschaut hatten, haben wir im Mai 2008 einer weiteren einen Besuch abgestattet: Diesmal ging es für eine knappe Woche nach Prag, ein wenig inspiriert durch die Tatsache, dass mein Schwiegervater aus der Tschechei stammt und Ilona dort geboren ist. Sie hat natürlich kaum Erinnerungen an dieses Land, da sie mit ihren Eltern schon sehr früh nach (DDR-) Deutschland zog, aber die Erzählungen der Schwiegereltern hatten uns auf die “Goldene Stadt” neugierig gemacht.
Im Internet haben wir dann unser Hotel gefunden: Das Hotel 16. Es ist schmal, ruhig, nicht billig, aber preis-wert, mit gutem Service und sehr nettem Personal. Nicht nur das Hotel, auch der Garten (!) geht über drei Etagen, und dahinter liegt gleich der Botanische Garten von Prag. (mehr unter www.hotel16.cz)
Wenn man so relativ wenig Zeit hat, muss man sich natürlich auf das Wesentliche konzentrieren. Aber was ist das Wesentliche, wie soll man das heraus finden, wenn man in eine fremde Stadt kommt, die man nur aus dem Reiseführer kennt? Wir haben versucht, zu Fuß und mit der Straßenbahn (günstige Tages- und Mehrtagestickets!) uns einen guten Überblick zu verschaffen in Neustadt, Altstadt und Judenviertel auf der rechten und Kleinseite mit dem Burgviertel auf der linken Seite der Moldau.
Die Zentren der Neustadt sind zweifellos Karlsplatz und Wenzelsplatz. Verglichen mit der Altstadt ist das ganze Viertel deutlich großzügiger und weitläufiger angelegt, es gibt alte Repräsentationsgebäude wie das Nationalmuseum und neue (etwa das Nationaltheater), Geschäfte in alten wie neuen Häusern und in schönen, im Jugendstil gehaltenen Einkaufspassagen – sogar mit “Kunst am Bau”. Im Nationaltheater befindet sich übrigens auch die Laterna Magica, eine Experimentierbühne(!?), in der wir eine Aufführung mit Motiven aus der Argonautensage besuchten, die ich als musikalisch-tänzerischen Bilderbogen bezeichnen möchte und die mir gut gefallen hat.
Die Altstadt dagegen – nomen est omen – ist von verwinkelten Straßen und Gassen und von Häusern, die zumeist im 19. Jahrhundert oder früher entstanden, geprägt. Immer wieder kann man allerdings sehen, dass sich alte Architektur und neuzeitliche Nutzung keineswegs ausschließen, und dass ein stilistisch nachempfundenes Äußeres ein höchst modernes Innenleben besitzen kann. Den Mittelpunkt bildet der Altstädter Ring, der kein Ring, sondern ein Platz ist: Ein herrliches mittelalterliches Ensemble mit dem Altstädter Rathaus, an dessen Turm die astronomische Uhr, dahinter die Teynkirche mit den Teynhöfen, in denen früher die Kaufleute ihre Waren verzollen mussten und heute Restaurants und Geschäfte zu finden sind.
Zwei, drei Straßen weiter ist man dann schon im jüdischen Viertel, wo sich auf engem Raum nicht weniger als fünf Synagogen befinden, dazu Versammlungsräume und der alte jüdische Friedhof; auch das Kafka-Denkmal steht dort und erinnert an den berühmten Schriftsteller.
Von Altstadt und jüdischem Viertel sind es nur wenige Schritte zur Karlsbrücke, der zweitältesten Brücke Europas (laut Reiseführer), die damals gerade renoviert wurde und über die wir die Moldau überquerten, um zur Kleinseite zu gelangen. In diesem Stadtteil liegt auch der Hradschin, die Prager Burg (mit der Karlsbrücke zusammen vom Neustädter Ufer aus ein schönes Panorama). Ebenfalls auf der Kleinseite befindet sich der Prager Hausberg (Petrin), ein weitläufiges Erholungsgebiet, zu dem eine kleine Standseilbahn hinauf fährt. Oben findet man auch einen “Mini-Eiffelturm”, von dem man einen schönen Ausblick über die ganze Stadt und besonders auch auf die Burg hat.
Dabei ist Burg eine kleine Untertreibung: Im Laufe der Jahrhunderte hat sich aus der romanischen Königsburg mit Anfängen im 9 Jh. eine kleinen Stadt entwickelt, mit dem Veitsdom als Mittelpunkt, vielen kirchlichen und säkularen Wohn- und Amtsgebäuden bis hin zu Unterkünften für Burgwachen und Handwerker. Und die Stunden – de facto fast ein ganzer Tag -, die wir dort verbrachten, waren sicherlich ein Höhepunkt unserer Prag-Visite; und wir haben manches gar nicht und vieles Andere nur kurz anschauen können.
Die Burg liegt inmitten vieler architektonischer Schmuckstücke; einen guten Überblick hat man vom Turm des Veitsdoms aus (wie wir später sehen werden). Es gibt es Beispiele, wie eine Straßenbeleuchtung aussehen kann, und unweit liegt auch die deutsche Botschaft (richtig: Die mit dem Balkon und den DDR-Flüchtlingen und Hans-Dietrich Genscher 1989!). Und in den den Hradschin umgebenden Gärten könnte man gut den einen oder anderen Sommertag verbringen.
Geht man durch die Burg, so kann man auch ein wenig die Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte erkennen: Hat man den ersten Hof hinter sich gelassen, schaut man in den zweiten Hof mit der Heiligkreuz-Kapelle, hinter der im dritten Burghof der Veitsdom aufragt. Der Dombau begann 1344 und zog sich über fast 600 Jahre hin, er vereint Elemente von Gotik, Renaissance und Barock. Ihm gegenüber befindet sich die Präsidialkanzlei, Wohn- und Amtssitz des tschechischen Präsidenten; sie ist vom Domturm aus ebenso gut zu sehen wie (fast) die gesamte Stadt.
Die Keimzelle der Prager Burg bildet der Alte Palast mit Ursprüngen um die erste Jahrtausendwende, an dem – wie auch an den anderen Teilen der Burg – über etliche Jahrhunderte gebaut wurde. Und die Besichtigung zeigt, dass da nicht nur regiert und gebetet, sondern auch verwaltet wurde – wie heute, nur das papierlose Büro war noch nicht erfunden …
Am östlichen Ende der Burg schließlich noch ein Schmuckstück und, wie man sieht, Besuchermagnet: Das Goldene Gässchen. Diese Häuser waren für die Wachen und die in der Burg tätigen Handwerker erbaut worden, und es ist leicht zu erkennen, dass die Leute damals noch deutlich kleiner waren. Heute kann man dort vielerlei Souvenirs erstehen, Schönes und weniger Schönes, Sinnvolles und weniger Nützliches, aber das ist ja letztlich alles Geschmackssache.
Den Besuch der Burg hatten wir uns, auch unter Berücksichtigung des Wetters, für den letzten Tag unseres Aufenthalts aufgehoben, und so schließe ich damit auch diesen kleine Reisebericht. Generell möchte ich aus der Erinnerung heraus sagen, dass Prag, mehr noch als Budapest, ein Paradies für Architektur-Interessierte ist. Hier gibt es nicht nur gut erhaltene bzw. restaurierte “Solitäre”, sondern viele Straßenzüge und ganze Viertel, die weitgehend ihren Charakter bewahrt haben und einfach schön zu durchstreifen sind. Ich bin gespannt, ob in anderen Städten Ähnliches zu entdecken ist. Und ein paar Ideen hätte ich da schon: Paris und Madrid (die ich beide bereits kenne, aber eher oberflächlich) und – “Geheimtipp” von Kirsten – Krakau ….